multihalle mannheim

Die von Frei Otto und Carlfried Mutschler für die Bundesgartenschau 1975 in Mannheim gebaute Mehrzweckhalle gilt weltweit als die größte Holzgitterschalenkonstruktion. Mit ihrer experimentellen Entstehungsgeschichte, ihren offenen Raumqualitäten und ihrer Einbettung in die urbane Topographie von Stadt und Landschaft verkörpert die Multihalle einen offenen Raum für eine offene Gesellschaft.

Neue Strategien für eine architektonische Ikone

Frei Ottos Hinwendung zum Experiment basierte nicht auf einer Systematisierung von Architektur im engen Sinne der Naturwissenschaften, sondern auf der künstlerischen Interpretation. Das unermüdliche Experimentieren am Modell diente der Erforschung von räumlichen Qualitäten und Wirkungsweisen. Frei Otto legte damit die Grundlage für eine bis heute relevante Experimentalkultur zwischen wissenschaftlicher Beobachtung und künstlerischem Geschick – eine Form der handwerklich­ intellektuellen Selbstjustierung, in der das Entwerfen sowohl individuelle Erkenntnisproduktion als auch Ausgangspunkt für einen kollektiven Diskurs über die Zukunft der Architektur bedeuten kann. Die Multihalle verkörpert diese Haltung wie kein zweites Gebäude des 20. Jahrhunderts.

Über 40 Jahre nach ihrer Einweihung steht die Multihalle heute im Zentrum eines internationalen Diskurses, dessen Reichweite die Grenzen von Architektur und Bauingenieurwissenschaft längst hinter sich gelassen hat und zum Gegenstand unterschiedlicher politischer und kultureller Öffentlichkeiten geworden ist. Lange lag sie im „Dornröschenschlaf“ – nun ist es an der Zeit, eine neue Geschichte zu schreiben. Zwei Faktoren sind entscheidend für den Neustart der Multihalle: das Aufbringen der finanziellen Mittel für den baulichen Erhalt und eine langfristige Nutzungsperspektive.

Ansätze für das neue Nutzungskonzept wurden von der Stadt Mannheim in Zusammenarbeit mit einer breiten Öffentlichkeit, engagierten Gruppen, Hochschulen und der Nachbarschaft erarbeitet. Sally Below trug als Beraterin seit 2016 zur Neuentwicklung bei, trug das Thema in eine breitere Fachöffentlichkeit und arbeitete an strategischen Fragestellungen und ihren Antworten mit. sbca trug maßgeblich zur Entwicklung, Durchführung und Moderation eines Nutzungsworkshop im April 2017 bei und führte mit lokalen Partnern ein urban thinkers camp zum Urban Thinkers Campus (UTC ist eine Initiative der World Urban Campaign des UN-Siedlungsprogramms UN-Habitat) im Jahr 2017 sowie öffentliche „Bürgertage“ im Jahr 2018 durch.

Mit Georg Vrachliotis kuratierte Sally Below darüber hinaus initiativ die Ausstellung Sleeping Beauty – Reinventing Frei Otto’s Multihalle und stellte diese anlässlich der Architekturbiennale 2018 in Venedig aus.

Abbildungen: Arthur Bauer, Carmen Mundorff